|
Zur entstehung spezifischer arten des dolmetschens
К содержанию номера журнала: Вестник КАСУ №2 - 2008
Автор: Зеер Т. А.
Dolmetschen wurde bereits praktiziert,
bevor Menschen übersetzten. Die im Altertum - bis heute - ältesten
Zeugnisse stammen aus der Zeit der Pyramidentexte im altägyptischen Reich,
ca. 3000 Jahre vor Christus; damals pflegten die verschiedensprachigen
Völker der Sumerer, Assyrer, Babylonier und Hethiter ihre kulturellen,
wirtschaftlichen, politischen und kriegerischen Beziehungen mit der Hilfe
fremdsprachlich geschulter Diplomaten. Die Dragomanen - der
morgenländische Begriff für Dolmetscher bei diplomatischen oder
konsularischen Verhandlungen, aber auch für Fremdenführer und
Reiseführer - bildeten zeitweise sogar eine eigene Kaste (1).
Die zu jener Zeit ausschließlich
ausgeübte Dolmetschform das war Gespräch und Verhandlungsdolmetschen
zwischen Vertretern verschiedensprachiger Kulturen. Gedolmetscht wurden die
jeweiligen Äußerungen in kurzen Abschnitten, meist Satz für
Satz. Erst in der Neuzeit und mit den intensiver werdenden Kontakten zwischen
verschiedenen Ländern entwickelte sich das Vortragsdolmetschen
(Dolmetschen längerer Ausführungen im Anschluss an diese); es wurde
weitgehend von mehrsprachigen Laien praktiziert und führte, anders als
beim Übersetzen, nicht in eine theoretische Auseinandersetzung mit dem
Dolmetschen als einer spezifischen sprachmittlerischen Tätigkeit. Dennoch
hat zumindest die Dolmetschlehre frühe Wurzeln. Bereits um das Jahr 1000
nach Christus existierte in Asien eine Ausbildung für Dolmetscher. Zu
Beginn des 12. Jahrhunderts erhielt der französische König den
Ratschlag, eine Schule für Dolmetscher zu gründen, deren Absolventen
während der Kreuzzüge im Heiligen Land eingesetzt werden sollten. Die
wohl erste europäische Dragomanenschule wurde dann aber in Konstantinopel
gegründet; ihre Absolventen wurden anschließend in die Armee
aufgenommen.
Verhandlungsdolmetschen oder
Gesprächsdolmetschen wird auch heute noch vielfach praktiziert. Dabei gibt
es Differenzierungen nach Einsatzgebieten für diese Dolmetschtechnik,
für die unterschiedliche Normen gelten. Wenn Politiker oder
Geschäfts-leute miteinander verhandeln, gelten im Wesentlichen die Normen
des Konferenzdolmetschens (s.u.). Beim Dolmetschen im medizinischen oder
sozialen Bereich, wo der Wortlaut weniger Bedeutung hat als das Verstehen des
Gemeinten und wo es um Information und die Befolgung von Anweisungen oder
Zustimmung zu Maßnahmen geht, sind die Verhaltensnormen andere als beim
Dolmetschen im Polizeiverhör oder vor Gericht, wo es auf eine wortgetreue
Wiedergabe ankommt, damit die auf die Verdolmetschung angewiesenen Beteiligten
die jeweiligen Personen und ihre Aussagen richtig einschätzen können.
In den einschlägigen wissenschaftlichen Abhandlungen hat sich für
eine Reihe verschiedener Einsatzbedingungen, deren gemeinsames Spezifikum der
unterschiedliche Status der beteiligten Personen ist, der Begriff Community
Interpreting durchgesetzt. Pöchhacker (2) beleuchtet die mit diesem
Begriff beschriebenen Dolmetscharten nach Einsatzbereichen und gliedert unter
dem auf einer binären Einteilung beruhenden Begriff Kommunaldolmetschen
(vs. Konferenzdolmetschen) das Gesprächs-, das Verhandlungs- und das
Gerichtsdolmetschen. In Deutschland sind die unter Community Interpreting
fallenden Dolmetschleistungen noch nicht immer voll professionalisiert, und die
Forschung hat erst in den letzten Jahren begonnen, sich mit solchen
traditionellen Dolmetscharten, ihren Merkmalen und Anforderungen auseinander zu
setzen, während man sich in Ländern wie Schweden, Kanada, Australien
und anderen bereits intensiver mit derartigen Fragestellungen befasst hat.
Da Konsekutivdolmetschen bei mehrsprachigen
Konferenzen mit erheblichem Zeitaufwand verbunden ist, suchte man bereits in
den zwanziger Jahren nach Alternativen. Ein erstes Simultandolmetschsystem
ähnlich einer tragbaren Telefonanlage, das so genannte
File-ne-Finlay-IBM-System, kam 1927 bei der International Labour Conference in
Genf zum Einsatz. Nach vereinzelten Erfahrungen in den dreißiger und
frühen vierziger Jahren bestand das Simultandolmetschen durch seinen
erfolgreichen Einsatz beim Nürnberger Prozess (1945/46) seine
Bewährungsprobe und wurde in den darauf folgenden Jahren im Rahmen der
vereinten Nationen eingesetzt, von wo aus es, nach anfänglicher Skepsis
bezüglich seiner Genauigkeit und Zuverlässigkeit, bald seinen
„Siegeszug" antrat. Mittlerweile ist Simultandolmetschen nahezu
gleichbedeutend mit Konferenzdolmetschen geworden und findet für
mehrsprachige Veranstaltungen jeder Art und Größe
routinemäßig Verwendung. Bis in die erste Hälfte des 20.
Jahrhunderts wurde fast immer konsekutiv, d.h. im Anschluss an ein
längeres oder kürzeres Redesegment, gedolmetscht. Daneben gab es das
Flüsterdolmetschen, das eine Vorform des Simultandolmetschens darstellt
und nur für eine kleine Gruppe von Zuhörern zu bewältigen ist,
aber auch heute in bestimmten Situationen noch praktiziert wird, wenn
technische Einrichtungen nicht zur Verfügung stehen. Die heute bekannteste
Form, das Simultandolmetschen, erfolgt (fast) gleichzeitig mit dem Redner, erfordert
schalldichte Kabinen, Mikrofone, Lautsprecher usw. und, da es extrem
ermüdend ist, eine größere Zahl an hierfür speziell
ausgebildeten Dolmetschern.
Mit dem häufigeren Einsatz
mündlicher Formen der Sprachmittlung in der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts kam auch die Reflektion über ihre Wirkung in Gang. Die wenig
umfangreiche wissenschaftliche Literatur aus dieser Zeit befasste sich mit dem
Gesprächs- bzw. Konsekutivdolmetschen und seinen Auswirkungen auf die
Kommunikationssituation. Im Vordergrund standen zu-nächst die
gesprächserschwerenden Faktoren des Dolmetschens. Durch die konsekutive
Übertragung wird zum einen der Gesprächsverlauf gestört, zum
anderen werden die Abläufe erheblich verlängert, insbesondere wenn in
mehrere Sprachen nacheinander gedolmetscht werden muss. Dies ist auch der Grund
dafür, dass inzwischen der Anteil an Konsekutivdolmetschen auf dem
Konferenzmarkt überall erheblich zurückgegangen ist. Das heute auf
Konferenzen - überwiegend bevorzugte Simultandolmetschen entwickelte sich
erst nach dem 2. Weltkrieg (als Wiege des Simultandolmetschern werden oft die
Nürnberger Prozesse betrachtet). Simultandolmetschen ist auch für
mehrsprachige Veranstaltungen geeignet, da die Zahl der Sprachen, in die bzw.
aus denen gleichzeitig gedolmetscht werden kann, theoretisch nicht begrenzt ist
und lediglich durch praktische Erwägungen (technischer Aufwand, Zahl der
Dolmetscher für alle Kombinationen) Einschränkungen unterworfen ist.
Mit dem immer häufigeren Einsatz dieser Dolmetschart und dem hierfür
erforderlichen technischen Aufwand, aber auch aufgrund der sich vollziehenden
Professionalisierung des Berufs wuchs allmählich das wissenschaftliche
Interesse am Gegenstand Dolmetschen.
Mit der Professionalisierung des
Konferenzdolmetschens und dem wachsenden Bedarf an Dolmetschern entstanden
bereits während des Zweiten Weltkriegs und in verstärktem Maße
danach eine Reihe von Dolmetscherschulen in Form von
Universitätsinstituten (z.B. Institut für Übersetzer- und
Dolmetscherausbildung der Universität Wien 1943) oder postuniversitären
Ausbildungsgängen, in denen viele der großen Konferenzdolmetscher
der ersten Generation ihre Erfahrung als Leiter oder Lehrer einbrachten. Nach
Meinung der Ausbildungskommission des Internationalen Konferenzdolmetscherverbandes
(AIIC School Committee) ist die heute effizienteste Ausbildung zum
Konferenzdolmetscher ein Studiengang in Form eines postuniversitären
Zusatz-Studiums zu einer akademischen Grundausbildung
Der Ausdruck Simultandolmetschen bezeichnet
im Prinzip jene Ausführungsweise des Dolmetschens, bei der die
Verdolmetschung nicht erst nach, sondern während der verstehenden Aufnahme
der ausgangssprachlichen Rede produziert wird. Eine solche gleichzeitige
(simultane) Wiedergabe der Originaläußerung wurde mit großer
Wahrscheinlichkeit bereits vor Jahrhunderten in Form des
Flüsterdolmetschens praktiziert. Eine weitere Form des Dolmetschens, bei
der die mündliche Wiedergabe in der Zielsprache in Gleichzeitigkeit zur
Rezeption des Ausgangstextes erfolgt, ist das so genannte Vor-Blatt-Übersetzen
(auch „Stegreifübersetzung"), das van Hoof (3) als eine der
elementaren Formen des modernen Simultandolmetschens bezeichnet. In der Praxis
assoziiert man Simultandolmetschen freilich ausschließlich mit dem
Einsatz von elektro-akustischen Übertragungsein-richtungen, die es dem
Simultandolmetscher erlauben, die ausgangssprachliche Rede über
Kopfhörer zu empfangen und in einer schalldichten Kabine in ein Mikrophon
zu sprechen, über das die Verdolmetschung zu den Empfängern übertragen
wird. Dieses meist als „eigentliches" Simultandolmetschen aufgefasste
„Kabinendolmetschen" (4) ist Gegenstand der weiteren Ausführungen.
Das Simultandolmetschen ist in vieler Hinsicht die spektakulärste
Erscheinungsform des Dolmetschens. Die für den Laien verblüffende und
für den Sprachpsychologen faszinierende Fähigkeit des gleichzeitigen
Sprechens und Hörens, die Mitwirkung am Kommunikationsgeschehen bei
Anlässen von weltpolitischer Bedeutung und das durch universitäre
Ausbildung und geschlossenes berufsständisches Auftreten erzielte Niveau
der Professionalisierung haben die Simultandolmetscher hinsichtlich der
ideellen und materiellen Wertschätzung für ihre Leistungen an die
Spitze der translatorischen Berufe gestellt. Ebenso hoch wie sein Stellenwert
in der Praxis ist auch die Bedeutung, die dem simultanen Konferenzdolmetschen
in der wissens-chaftlichen Auseinandersetzung mit dem Dolmetschen beigemessen
wird. Eine Vielzahl von theoretischen Modellen und empirischen
Untersuchungsergebnissen gibt nähere Aufschlüsse darüber, welche
Faktoren und Zusammenhänge dem Prozess und dem Produkt der
Simultandolmetscher zugrunde liegen. Das Konferenzdolmetschen, das als
Simultan- und Konsekutivdolmetschen praktiziert wird, ist mittlerweile voll
professionalisiert und wird ausschließlich in entsprechenden
Studiengängen an einschlägigen Hochschulen vermittelt. Mit dem
Simultan- und Konsekutivdolmetschen hat sich die Forschung in den letzten
Jahrzehnten eingehend beschäftigt, und insbesondere das
Simultandolmetschen hat das Interesse verwandter Disziplinen, etwa der
Psychologie und der Kognitiven Linguistik, geweckt.
Die frühe Dolmetschlehre betrachtete
Konsekutivdolmetschen als die hohe Kunst der Sinnerfassung und
Simultandolmetschen als eine eher an der Wortoberfläche orientierte
Verarbeitung. Der Dolmetscher analysiere den Sinn, das Gemeinte einer
Äußerung und übertrage diesen, ohne von sprachlichen
Zwängen geleitet zu sein. Dies gelinge in der Regel im Konsekutivprozess
ohne weitere Probleme, im Simultanprozess hingegen nur mit erheblichen
Einschränkungen. Den Konsekutiv-dolmetschern, die bei internationalen
Konferenzen arbeiteten und dort mitten im Geschehen standen, wurde
Aufmerksamkeit und Respekt entgegengebracht, und sie blieben als
Persönlichkeiten so manchem Konferenzteilnehmer im Gedächtnis. Der
heutige Simultandolmetscher hat meist nicht mehr viel Kontakt zu den anderen
Konferenzteilnehmern und kann in seiner Kabine auch kaum eingreifen, wenn er
etwas näher erklärt haben oder den Redner um deutlicheres oder langsameres
Sprechen bitten möchte (5). Dolmetschen wird im Zeitalter der
Simultan»technik« mehr als eine technische Funktion und weniger als eine
kognitive Leistung betrachtet. Die Dolmetschwissenschaft stellt sich u. a. die
Aufgabe, die Bedeutung der kognitiven Leistung beim Dolmetschen - und gerade
auch beim Simultandolmetschen - aufzuzeigen.
In meisten Hochschulen Kasachstans werden
Dolmetscher im Allgemeinen ausgebildet, ohne eine engere Qualifikation, was
leider nicht positiv auf die Qualität der Ausbildung wirkt. Wichtig sind
aber auch die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die
Qualifikation der Vertreter der Lehre. Darüber hinaus gilt es, die
Perspektive zu erweitern und den Prozess Dolmetschen nicht ausschließlich
auf die Phase der Textrezeption und -produktion zu beschränken, sondern
als umfassenderen Kommunikationsakt mit einer Vielzahl von Beteiligten, mit
unterschiedlichen Erwartungen, Zielsetzungen und Bedürfnissen zu
betrachten und dabei auch Faktoren einzubeziehen, die dem eigentlichen Dolmetschprozess
vor- bzw. nachgelagert sind. Die Interdependenz und das Zusammenwirken all
dieser Faktoren, die bei der gedolmetschten Kommunikation eine Rolle spielen,
ist eine Herausforderung für die Dolmetschwissenschaft im 21. Jahrhundert.
LITERATURHINWEIS
1. Best J., Kalina S.
Übersetzen und Dolmetschen, Tübingen-Basel, 2002
2. Pöchhacker, F.
Dolmetschen. Konzeptuelle Grundlagen und deskriptive Untersuchungen,
Tübingen, 2001
3. Drescher, H., Scheffzek,
S., Theorie und Praxis des Übersetzens und Dolmetschens, Frankfurt/M./Bern,
1976
4. Kade, O.,
Kommunikationswissens-chaftliche Probleme der Translation, in: Beihefte zur
Zeitschrift Fremdsprachen II, 3-19, 1968
5. Feldweg, E., Der Konferenzdolmetscher im
internationalen Kommunikationsprozess, Heidelberg, 1997
К содержанию номера журнала: Вестник КАСУ №2 - 2008
|
|