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Theoretische grundlagen des Deutschen versenbaus
К содержанию номера журнала: Вестник КАСУ №2 - 2008
Автор: Энгель Ю. О,
Um bei der Erforschung des Versbaus bleiben
zu können, muss man von der Verslh-ere ausgehen. Die Verslehre oder Metrik
(griechisch μετρική, griechisch-lateinisch metrica) ist
„die Lehre von Versmaß oder Metrum in der Literatur“ [4, S. 6]. Das
Metrum eines Textes bezeichnet man auch als dessen „metrischen Rahmen“. Auf
diese Art metrisch geregelte Texte nennt man Texte in gebundener Sprache“ [5,
S.75]. Weitere Einheiten (wie z. B. lyrische Strophenformen) werden damit noch nicht erfasst. Wichtig
bei der Untersuchung des Metrums ist die Frage, in welcher Sprache ein Text
abgefasst ist, denn unterschiedliche Sprachen haben eine jeweils andere
natürliche Prosodie.
Deutsche Sprache gehört zu den akzentuierenden
Sprachen, in denen die Betonung
(der exspiratorische Nachdruck) einer Silbe das metrisch relevante Merkmal
darstellt. „Die Metrik bezeichnet die Gesetzmäßigkeiten und Regeln
des Versbaus und der Versmaße in der Dichtung sowie allgemein die
Verskunst“ [4, S.17]. Für die Kennzeichnung des Metrums werden aber
häufig auch im Deutschen noch die antiken Bezeichnungen genutzt, so dass
man unter die Silben im Vers ein υ oder ein – setzt. Stattdessen kann man
jedoch auch die betonten Silben mit einem Akzentzeichen (´) kennzeichnen,
die unbetonten bleiben unbezeichnet.
Um das Wesen des Verses besser zu
verstehen, muss man sich an seine Definition richten. Best nennt ihn die „Zeile
oder Strophe eines Gedichtes“[3, S.12]. Fabig versteht unter diesem Begriff „
die durch das Metrum gegliederte […]. Einheit einer Dichtung in gebundener
Rede, Zeile einer Strophe“ [6, S. 18]. Binder definiert den Vers als
„takthaltige Rede“ [4, S. 29]. Bernhard Asmuth versteht unter dem Begriff
„Vers“ „eine in Form einer Druckzeile hervorgehobene Sprecheinheit“ [2, S. 9].
Vorsichtig spricht Wilpert von „Wiederkehr der hervorgehobenen […]. Silben in
annähernd gleichen Abständen“ [10, S. 23]. See spricht über die
„ Steigerung und Überhöhung des Sprachrhythmus durch die
Einschränkung auf rhythmische, sich wiederholende Grundmuster, die gerade
dadurch stark konturiert erscheinen“ [9, S. 22]. Viele Wissenschaftler stimmen
darin überein, dass Vers (lat.: versus, von vertere "umwenden")
in der Poesie eine Reihe metrisch gegliederter Rhythmen bezeichnet. Verse
werden üblicherweise in Zeilen gesetzt, und daher auch als Verszeile bezeichnet.
In dem vorliegenden Artikel wird der
Begriff „Vers“ als eine Verszeile behandelt, denn „Vers bezeichnet
ursprünglich denjenigen rein quantitativen Teil eines Textes, der sich vom
Zeilenanfang bis zum Zeilenende erstreckt“ [7, S. 30]. Insofern ist „Vers“
durch „Zeile“ ersetzbar. Im Vers werden die bedeutungsabhängigen
Silbenbetonungen von einer bedeutungsunabhängigen, versspezifischen
Silbenbetonung überlagert. In diesem Zusammenhang heißen traditionell:
-
betonte Silben auch
Hebungen;
-
unbetonte auch
Senkungen.
Deutsch ist auf Akzenten (Hebungen) und auf
nicht akzentuierten Silben (Senkungen) aufgebaut. Diese Akzente sind „die
eigentliche Wirbelsäule der deutschen Lyrik. Richtet man sich nach ihnen,
so braucht man nicht auf die Silbenzahl zu achten. Im Deutschen zählt man
die Hebungen, nicht die Silben“ [6, S. 41].
Im Unterschied zur Prosasprache liegt der
deutschen Verssprache das Prinzip der geregelten Abfolge von Hebungen und
Senkungen zugrunde. Dieses allgemeine Prinzip der Verssprache kann in
verschiedenen Formen erscheinen.
Die jeweilige Form der Abfolge von Hebungen
und Senkungen eines Verses heißt Metrum. Die grafische Veranschaulichung
des Metrums heißt metrisches Schema. Bei der Bestimmung eines Metrums ist
zu beachten,
- dass die Hebungen und die Senkungen des
Metrums nicht nur durch hebungs- bzw. senkungsfordernde Silben allein
verwirklicht werden, sondern auch durch hebungs- und senkungsfähige
Silben;
- dass wegen der dadurch möglichen
Betonungsvariationen dem Text das Metrum des Verses häufig nicht
unmittelbar zu entnehmen ist, sondern erschlossen werden muss;
- dass das erschlossene Metrum die
zunächst betonungsneutralen hebungs-, und senkungsfähigen Silben
entsprechend ihrer Funktion im Vers eindeutig als Hebungen und Senkungen
bestimmt.
Jetzt möchte ich auf die
Versmaße, ihre Herkunft und Möglichkeiten ihrer Beschreibung
ausführlicher eingehen. „Die deutschen Besonderheiten lassen sich
am besten im Vergleich mit den antiken und romanischen Versformen bestimmen,
die an deutscher Versgeschichte selbst entscheidenden Anteil haben“ [7, S. 92].
Er ist so groß, dass sich die von deutschen Dichtern benutzten
Versmaße im Wesentlichen zu drei Gruppen formieren: Zum Teil sind sie
„spezifisch deutscher bzw. germanischer Herkunft, zum Teil der Antike entlehnt,
zum größten Teil jedoch aus Frankreich und Italien übernommen.
Das oft gleichzeitige Zusammenwirken mehreren dieser Faktoren macht den
deutschen Vers in einem komplexen Gebilde, dessen genaue Struktur selbst Dichter
und Wissenschaftler oft nicht recht durchschauen [7, S. 94]. Im Folgenden geht
es darum, die Eigenart der deutschen Sprache, genauer gesagt die spezifische
Weise ihrer Silbenabstufung, zu bestimmen und deren Auswirkungen bei der
Übernahme der antiken und romanischen Formen in Betracht zu ziehen.
Eine Silbe lässt sich auf dreifache
Art hervorheben: „durch Stärke, Höhe und Länge der
Intonation“ [3, S.168]. Als Akzent bezeichnet man im Allgemeinen nur die
Hervorhebungen durch Stärke und Höhe. Die größte Wirkung
kommt dem Stärkeakzent zu. In den einzelnen Sprachen sind die Arten der
Hervorhebung oft gemischt. Der Akzent der germanischen Sprachen und damit auch
des Deutschen ist hauptsächlich von der Stärke bestimmt und
heißt wegen seiner explosiven Wucht und seiner Abhängigkeit vom
Atemdruck dynamisch oder exspiratorisch (expirare = aushauchen). Mit dem
Nachdruck verbindet sich meist ein leichtes Anheben der Stimme, also eine
größere Tonhöhe, nur selten – etwa beim Rufen von Namen – auch
eine Längung der Tonsilbe. „Dieser Stärkeakzent ist der wichtigste
Faktor deutscher Versdichtung“ [5, S. 98]. In der Fachliteratur zur Metrik
kommt seine Bedeutung meist viel zu wenig zur Geltung.
Die germanischen Akzentgipfel ragen so
hoch, „dass die Anzahl der zwischen sie eingestreuten Senkungssilben nahezu
belanglos erscheint“ [5, S. 100]. In spezifisch germanischen Versen ist nicht
die Zahl aller Silben, sondern nur die Zahl der Hebungen festgelegt.
Der Versfuß (auch: Metrum) ist „ein ursprünglich antikes Stilmittel der Dichtung“ [2, S. 215].
Ursprünglich wurden kurze und lange Silben nach einem bestimmten Schema
(der Metrik)
aneinandergereiht. Im Deutschen wird stattdessen die unterschiedliche Betonung
der Silben eingesetzt (siehe auch Hebung und Senkung). Aus langen und kurzen Verssilben werden
feste Kombinationen gebildet, die so genannten Versfüße. „Jeder
Hebung entspricht der Anfang eines Taktes und jeder Takt fängt mit einer
Hebung an. Der Takt ist ein theoretisches graphisches, zeitlich nicht
festgelegtes Maß, das nichts mit Musik zu tun hat. Er enthält eine,
zwei oder drei Silben (ein-, zwei, dreisilbige Takte), was sein Geschlecht
(Beschaffenheit) bestimmt“ [2, S. 223]. Auf eine Hebung folgen in der Regel
unbetonte Silben, die Senkungen. Wechseln Hebungen und Senkungen streng ab, so
ist der Vers (streng) alternierend. „Behandeln wir die Silben eines Verses nach
ihrer Länge, ergeben sich daraus Versfüße, d.h., wenn sich
nämlich in einem Vers ein Versfuß (die kleinste Einheit, welche
Hebung und Senkung verbindet), regelmäßig wiederholt, ergibt sich
ein festes oder strenges Metrum (Versmaß)“ [2, S. 260]. Diese Gliederung
nennt man auch „den metrischen Rahmen“ [2, S. 264], den Grundbaustein eines
Gedichts. Sogar eine allein stehende Verszeile mit strengem Rahmen, setzt die
virtuelle Anwesenheit anderer ähnlicher Zeilen voraus. Sie signalisiert
also „die Symmetrie eines strengen Schemas“ [4, S.108]. Bei der Erforschung der
Versfüße wurden von mir 100 deutsche Gedichte analysiert und die
Versfüße festgestellt, die für den deutschen Versbau
charakteristisch sind (die werden in der folgenden Tabelle dargestellt).
Tabelle 1. Die
meistgebräuchlichsten Versfüße der deutschen Lyrik
Antike Bezeichnung |
Mehrzahl |
Dt. Bezeichnung |
Kurzz. |
Kennzeichen |
Beispiele |
Jambus |
Jamben |
Steiger |
XX' |
unbetonte Silbe, betonte
Silbe (x-) |
Besuch, Geduld |
Trochäus |
Trochäen |
Faller |
X'X |
betonte Silbe, unbetonte
Silbe (-x) |
Abend, Liebe |
Anapäst |
Anapäste |
Doppelsteiger |
XXX' |
unbetont, unbetont, betont
(xx-) |
Paradies |
Daktylus |
Daktylen |
Doppelfaller |
X'XX |
betont, unbetont, unbetont
(-xx) |
Enterich |
Anhand dieser Tabelle kann man
feststellen, dass Trochäus
und Daktylus die meistgebräuchlisten
Versfüße in der deutschen Lyrik sind.
Der Versfuß der antiken Metrik stellt die kleinste
metrische Einheit dar. Im Deutschen (und anderen Sprachen) lässt sich
aufgrund der akzentuierenden Betonung stattdessen auch erfolgreich eine aus der
Musik entliehene Takt-Einteilung verwenden. Dabei wird vor einer betonten Silbe
ein Taktstrich (= |) gesetzt, so dass jeder Takt mit einer betonten Silbe
beginnt. Beispiel:
Es schlúg mein
Hérz, geschwínd zu Pférde! (Goethe, Willkommen und
Abschied)
=x ´x x ´x x
´x x ´x x
= x |´x x |´x x
|´x x |´x x
Man erkennt hieran, dass
„Taktgrenzen und Wortgrenzen nicht identisch sein müssen“ [1, S.290]. Wenn
ein Vers, wie in diesem Beispiel, mit einer unbetonten Silbe beginnt, so ist
dies kein vollständiger Takt, sondern man spricht von einem so genannten Auftakt.
Der Auftakt kann auch zwei (oder sogar noch mehr) Silben enthalten, doch
hängt es dabei auch vom Leser des Textes sowie vom gesamten metrischen
Rahmen ab, ob eine der unbetonten Silben des Auftakts vielleicht als
eigenständige Hebung zu betrachten ist, so dass statt eines Auftaktes ein
zusätzlicher Takt entsteht. Jeder Takt enthält genau eine betonte
Silbe und - je nach Metrum - beliebig viele unbetonte Silben. Es ist auch
möglich, dass ein Takt nur eine betonte und keine weitere unbetonte Silbe
enthält“. Die Anzahl der Silben in den Takten eines Verses kann sowohl
regelmäßig als auch unregelmäßig sein“ [1, S. 297], so
dass man dadurch Kriterien zur Unterscheidung der Verse zur Hand hat.
In Bezug auf die Betonung der
Silben werden folgende Versarten unterscheiden.
Alternierende Verse: Wechseln
im Vers betonte und unbetonte Silben einander ab, so spricht man
gewöhnlich von einem alternierenden Vers. „Alternierende Verse werden auch
als jambisch oder trochäisch bezeichnet“ [1, S. 308]. Dies
rührt von den antiken Versfüßen Jambus (υ–) und
Trochäus (–υ) her.
Beginnt ein alternierender
Vers mit einem Auftakt, so ist er jambisch, beginnt er ohne Auftakt, das
heißt gleich mit einer betonten Silbe, so ist er trochäisch. In
Versfüßen ist der obige Beispielvers auch so darstellbar:
Beispiel: Es schlúg mein Hérz,
geschwínd zu Pférde! (Goethe, Willkommen und Abschied)
= x ´x x ´x x ´x x
´x (= x |´x x |´x x |´x x |´x x)
=υ–υ–υ–υ–υ
Man erkennt hierbei, dass die
letzte Silbe in dieser Notation gar kein echter Versfuß mehr ist, man
müsste sie dem letzten Jambus
zuordnen, wodurch dieser zu einem Amphibrachys (υ–υ) würde. Deshalb ist es
günstig, im Deutschen nicht von Jamben, sondern von jambischen Versen zu
sprechen, d. h. alternierenden Versen mit Auftakt.
Ein alternierender Vers ohne
Auftakt ist dann ein trochäischer Vers und sieht beispielsweise so
aus: Hát der álte Héxenmeíster (Goethe, Der
Zauberlehrling):
=|´xx|´xx|´xx|´xx|
=–υ–υ–υ–υ
“Alternierende Verse haben ein
gerades Taktgeschlecht“ [9, S. 133], weil jeder Takt genau zwei Silben
enthält.
Nichtalternierende Verse: Verse, die nicht alternierend sind, haben mehr als
zwei Silben im Takt. Umfassen die Takte regelmäßig drei Silben, kann
man sie in Anlehnung an die drei Versfüße Daktylus
(–υυ), Anapäst
(υυ–) und Amphibrachys
(υ–υ) auch als daktylisch, anapästisch oder amphibrachisch
bezeichnen. Da die Auftakte der Verse eines Gedichtes unterschiedlich gestaltet
sein können, ist es auch möglich, den gesamten Vers ohne
Rücksicht auf den Auftakt einfach als daktylischen Vers zu bezeichnen;
dies bedeutet dann, dass jeder Takt drei Silben umfasst. Daktylische Verse
haben ein ungerades Taktgeschlecht, weil jeder Takt genau drei Silben
enthält.
Unregelmäßige Verse
sind solche, „bei denen die Anzahl der Silben in den einzelnen Takten
unterschiedlich ist“ [7, S. 111]. Dabei können Takte mit zwei Silben
überwiegen und nur hin und wieder dreisilbige Takte eingestreut sein. Auch
hier liegt mehr oder weniger ein gerades Taktgeschlecht vor, da die Silben des
dreisilbigen Taktes beim Vortrag meist schneller gesprochen werden, so dass
sich das Tempo nach den zweisilbigen Takten richtet. Es können auch in
Versen mit dreisilbigen Takten solche mit zwei Silben eingestreut sein. Dann
handelt es sich mehr oder weniger um ein ungerades Taktgeschlecht, da die
Silben des zweisilbigen Taktes meist langsamer gesprochen werden, so dass die
dreisilbigen Takte das Tempo des Vortrages bestimmen. Außerdem kann die
Abfolge der Silben so unregelmäßig sein, dass sich eine Einteilung
in ein Taktgeschlecht erübrigt, wie z. B. beim Knittelvers. Dabei spricht man von freien Versen.
Auf solcher Weise wurde in dem
vorliegenden Artikel eine der wichtigsten Besonderheiten des deutschen
Versenbaus „Versfuß“ behandelt.
LITERATURVERZEICHNIS
1. Asmuth B. Aspekte der
Lyrik/B. Asmuth. – Düsseldorf: Westdeutscher Verlag, 1976. - S. 332
2. Asmuth B. Aspekte der
Lyrik mit einer Einführung in die Verslehre/B. Asmuth.-Düsseldorf:
WestdeutscherVerlag, 1976. - S. 378
3. Best O. Handbuch
literarischer Fachbegriffe. Definition und Beispiele/O. Best.-Leipzig: Verlag
Enzyklopädie, 1986.-S. 737
4. Binder A.
Einführung in Metrik und Rhetorik/A. Binder. - Göppingen:
Könnerle, 1977. - S. 332
5. Bögl H.
Abriss der mittelhochdeutschen Metrik/H. Bögl.-Hildesheim: Olms, 2006.-S.
162.
6. Fabig A. Reimlexikon/
A. Fabig. - Stuttgart:Reclam, 1997. - S. 272.
7. Macleish A. Elemente der
Lyrik. Leitfaden für Leser/A. Macleish. - Göttingen: Carl Hanser
Verlag, 1961. - S. 167.
8. Nagel B. Der freie Vers
in der modernen Dichtung/B.Nagel.-Göppingen:Hanser Verlag, 1989. -S. 141.
9. See K. Germanische
Verskunst/ K. See.-Stuttgart: Metzler, 1967. - S. 185.
10. Wilpert G.
Sachwörterbuch der Literatur/ G. Wilpert. - Stuttgart: Alfred Kröner
Verlag, 2001. - S. 550.
К содержанию номера журнала: Вестник КАСУ №2 - 2008
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